About Photography


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Ich bin in den 80ern und 90ern in einem Haushalt in Baden-Württemberg aufgewachsen, der von analogen und bis ins kleinste Detail perfektionierten Schwarz-Weiß-Fotografien durchdrungen war.

Die Fotografie hatte hier einen fast schon heiligen Status. Ich lernte früh, wie man für ein Foto zu gucken und sich zu positionieren hat, dass nicht jeder fotogen ist und dass schon gar nichts dem Zufall überlassen werden darf. Die klassische Fotografie, wie ich sie kennengelernt habe, hieß maximale Kontrolle von der Bildgestaltung bis hin zur Präsentation: Fotografien hatten in jedweder Hinsicht perfekt zu sein.

Während meines Fotografie-Studiums von 2003 – 2006 an der privaten fas.Akademie Berlin (ehemals“ Fotografie am Schiffbauerdamm“) öffneten sich für mich inhaltlich zwar völlig neue Horizonte und Möglichkeiten, was Fotografie sein kann. Aber mit dem Kontroll- und Perfektionswahn wurde ich leider auch hier konfrontiert.

Bis heute stehe ich der klassischen Fotografie in ihrer konzeptionellen Strenge äußerst kritisch gegenüber.

In meinen Porträt-Arbeiten beispielsweise setze ich mich bis heute damit auseinander, was ein Porträt eigentlich preisgibt. Ich stelle den Menschen, die ich fotografiere, mitunter Fragen oder bitte sie darum, über etwas Bestimmtes nachzudenken.

Dem Betrachter bleibt jedoch verschlossen, worüber die Porträtierten letztendlich nachgedacht haben.

Meine Themen und Resultate bieten lediglich Interpretationsmöglichkeiten und hinterfragen die Manipulation durch den Bildgeber sowie die subjektive Wahrnehmung und ggf. Bewertung durch den Betrachtenden.

Welche Rolle spielt bei sämtlichen fotografischen Porträtaufnahmen eigentlich das fotografierte Individuum? Handelt es sich in diesem Kontext überhaupt noch um ein Individuum oder wird dieses durch den fotografischen Prozess vielmehr zum beliebigen Subjekt?

2010 begann ich aus einem Impuls heraus Selbstporträts auf handelsübliches Schmirgelpapier zu drucken. Ich wurde oft gefragt, wie ich auf diese Idee kam.

Mir gefiel die Tatsache, dass sich ein Foto nicht problemlos auf Schmirgelpapier drucken lässt.

Das Material verweigert sich. Der Prozess lässt sich nicht vollständig kontrollieren und das Resultat nicht beliebig vervielfältigen, weil jeder Druck anders aussieht. Das Schmirgelpapier wird Teil des Motivs und selbiges entzieht sich mitunter, je nach Lichteinfall, aufgrund des Materials.

Manche Foto-Drucke werden vom Schmirgelpapier nach einiger Zeit sogar fast komplett „verschluckt“ - sie verschwinden einfach.

Ich mag das Material, das je nach Lichteinfall einfach nur rau und widerspenstig oder glitzernd, fast glamourös erscheint – und ich mag die Zweckentfremdung.

Allgemein interessiert mich in meinen künstlerischen Arbeiten das, was auf den ersten Blick übersehen wird. Oder was selbst auf den zweiten Blick nicht gesehen werden kann. Mich interessiert der Mensch und das Leben in all seiner Komplexität und Fehlbarkeit. Das Scheitern als Prozess und die Zeit, die uns immer begleitet und die niemals greifbar ist.

Der Moment, der immer sofort schon wieder vorbei ist und das, was zwischen den ungeschriebenen Zeilen lauthals schweigt.

(Sommer 2021)

 

english


I grew up in a household in Baden-Württemberg during the 1980s and 1990s that was permeated by meticulously crafted black-and-white photographs.

Photography held an almost sacred status here. I learned early on how to look and position myself for a photo, that not everyone is photogenic, and that nothing should be left to chance. The classical photography I was familiar with emphasized maximum control, from image composition to presentation: photographs had to be perfect in every way.

During my photography studies from 2003 to 2006 at the private fas.Akademie Berlin (formerly “Fotografie am Schiffbauerdamm”), I encountered entirely new horizons and possibilities regarding what photography could be. However, I was unfortunately also confronted with the obsession for control and perfectionism here.

To this day, I view classical photography with extreme skepticism regarding its conceptual rigor.

In my portrait work, for example, I continue to explore what a portrait actually reveals. I sometimes ask the people I photograph questions or invite them to reflect on something specific.

However, what the subjects ultimately contemplated remains hidden from the viewer.

My themes and results only offer interpretive possibilities and question the manipulation by the image-maker as well as the subjective perception and possible evaluation by the viewer.

What role does the photographed individual play in all photographic portraits? In this context, is it even still an individual, or does it become an arbitrary subject through the photographic process?

In 2010, I started printing self-portraits on standard sandpaper on a whim. I was often asked how I came up with this idea.

I liked the fact that a photo cannot be easily printed on sandpaper.

The material resists. The process cannot be fully controlled, and the result cannot be arbitrarily duplicated, as each print looks different. The sandpaper becomes part of the motif, and it sometimes eludes the viewer depending on the light.

Some photo prints are almost completely “swallowed” by the sandpaper over time—they simply disappear.

I appreciate the material, which can appear rough and unruly or glittering and almost glamorous depending on the light—and I enjoy the repurposing.

In general, my artistic work interests what is overlooked at first glance. Or what cannot be seen even at second glance. I am fascinated by humanity and life in all its complexity and fallibility. Failure as a process, and the time that always accompanies us and is never tangible.

The moment that is always gone in an instant and what loudly silences between the unwritten lines.

(Summer 2021)